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Die Rohstoff-Woche - KW 33/2010: Die Mär von der Weizenknappheit

14.08.2010  |  Tim Roedel (Rohstoff-Woche)
"BP unverbesserlich" könnte ein neuer Thriller lauten, wenn man sich einmal vor Augen führt, was da in dieser Woche über die Ticker lief. Nachdem man mit der oberflächlichen Versiegelung des Öl-Lecks im Golf von Mexiko scheinbar endlich mal überhaupt was zustande gebracht hat, zeigt man bei BP sogleich wieder sein wahres Gesicht. Und das nennt sich sparen, sparen und sparen. Nachdem jetzt rauskam, dass BP scheinbar öfters gern mal bei den Wartungsarbeiten seiner Öl(bohr)-Plattformen spart, so will man sich jetzt den zweiten Teil der Verschließungs-Aktion sparen.

"Static Kill nannte sich das Einpumpen von Schlamm und Zement von oben, "Bottom Kill" sollte eigentlich folgen. Bottom Kill sollte aus zwei weiteren Bohrungen bestehen, die einige hundert Meter unterhalb des eigentlichen Lecks auf die ursprüngliche, leckgeschlagene Bohrung treffen und dieses Loch dann auch von unten mittels Zement versiegeln sollten. Diese Aktion will man sich jetzt doch sparen, schließlich sei das Loch ja jetzt schon von oben versiegelt worden. Eine zusätzliche Absicherung für den Fall der Fälle also laut BP nicht notwendig. Dies dachte man übrigens auch schon, als man das später leckgeschlagene Loch bohrte. Das Ergebnis ist bekannt.

Ob diese zweite Maßnahme nun doch eingestampft wird, darf angesichts der angespannten Lage, in der sich BP in Nordamerika befindet, freilich bezweifelt werden. Sollte man diesen Schritt entfallen lassen und sich herausstellen, dass die Aktion Static Kill doch nicht ausreicht, dann dürfte es das für BP in den USA vorerst gewesen sein. Und für viele andere Bohrvorhaben sicherlich auch. Die USA sind zwar vom Rohöl abhängig wie ein Heroinsüchtiger vom nächsten Schuss, eine weitere Umweltkatastrophe und damit innenpolitische Probleme kann sich die Obama-Administration jedoch nicht mehr leisten. BP: Zukunft offen!

Bolivien wird aktuell von einer fast schon beispiellosen Streik- und Protest-Welle erschüttert. Teile der Bevölkerung demonstrieren bereits seit Wochen gegen die Zentralregierung. Jetzt hat sich diese Protestwelle auch auf den Minensektor ausgeweitet. Unter anderem musste auch die Produktion in der San Cristobal-Mine, einer der größten Zink-, Blei- und Silber-Minen weltweit, eingestellt werden. Auch die Silbermine San Bartolome wurde einstweilen wegen anhaltender Streiks geschlossen. Das Ganze hört sich für viele Anleger nicht besonders dramatisch an. Man muss jedoch wissen, dass Bolivien immerhin der weltweit fünftgrößte Silberproduzent ist. Sollten sich diese Protestaktionen weiterhin fortsetzen, könnte dies ohne Weiteres einen Einfluss auf den Silber-Sektor haben.

Etwas erholt zeigte sich in dieser Woche der Goldpreis. Und zwar sowohl auf USD- als auch auf Euro-Basis. So konnte der weltgrößte Gold-ETF, der SPDR Gold Trust über eine Tonne Gold an neuen Mittelzuflüssen verzeichnen. In Kürze könnte sich dieser Trend nochmals verstärken, wenn die indischen Goldkäufer ihre traditionellen Einkäufe für die winterliche indische Hochzeitssaison tätigen werden.

Die OPEC scheint aktuell wenig Interesse an einem höheren Rohölpreis zu haben. Etwa zwei Millionen Barrel pro Tag produzieren und exportieren die der OPEC angehörenden Länder zu viel. Zuviel deshalb, weil man in 2008 und 2009 ja verbindliche Förderquoten vereinbart hatte. Einige OPEC-Staaten halten sich daran aber nicht und überschwemmen den Rohölmarkt aktuell mit größeren Mengen als vereinbart. Der aktuelle Tagesüberschuss beträgt demnach auch etwa 500.000 Barrel. Die aktuelle Schwäche des Rohölpreises ist aber nicht nur auf das zu hohe Angebot sondern auch auf eine schwächelnde Nachfrage aus Asien zurückzuführen. Dort werden in den kommenden Wochen pro Tag etwa 400.000 Barrel Rohöl weniger hin geliefert werden.

Wieder nach oben ging es hingegen bei Weizen. Hauptgrund dafür waren Schätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums, dass die weltweite Weizenernte in diesem Jahr wegen Ernteausfällen in Russland, der Ukraine und mehreren anderen Ländern um zwei (!) Prozent nach unten korrigiert werden müsse. Zwei Prozent, das ist ja phänomenal! Dieses Beispiel und die darauf erfolgte Reaktion zeigt meiner Meinung nach in einer extremen Weise, wie sehr man am Weizenmarkt auf jede noch so mehr oder minder schlechte Nachricht regelrecht wartet um noch ein paar Prozent mehr aus Weizen rausschlagen zu können.

Zumal man ja sagen muss, dass die Ernteausfälle in den genannten Regionen mehr oder minder durch den Abbau von US-amerikanischen Lagerbeständen ausgeglichen werden können. Das US-Landwirtschaftsministerium schätzt, dass diese von 30 auf 26 Millionen Tonnen fallen könnten. Das hört sich auf den ersten Blick viel an. Letztendlich ist es aber doch so, dass dieser geringere Lagerbestand dann immer noch nur knapp unter dem des Vorjahres läge. Und der markierte immerhin ein 22-Jahres-Hoch!

Der Weizenmarkt steht auch trotz Ernteausfällen noch bedeutend besser da, als der breiten Masse Glauben gemacht werden soll. Angst zu schüren ist in der heutigen Zeit scheinbar keine Schandtat mehr, sondern eher eine Tugend. Und sollte Brot jetzt gleich um 20% teurer werden, dann liegt das nicht an den Weizenpreisen, sondern vielmehr an den Discountern und vielen Zwischenhändlern, die sich an der aktuellen Situation eine goldene Nase verdienen wollen. Der Anteil der Kosten für die Zutat Weizen bei Brot und Brötchen liegt nämlich weit unter 10%. Den weitaus größten Anteil bei der Herstellung von Backwaren machen nämlich die Lohnkosten aus.

Der Baltic Dry Index, der als Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung gilt, deutet aktuell auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage hin. Seit dessen Tiefststand von Mitte Juli konnte sich der Index um 43% erholen. Dafür werden von Experten vor allem höhere Eisenerzlieferungen nach China verantwortlich gemacht. Man kann deshalb getrost darauf schließen, dass China im, beziehungsweise ab August höhere Eisenerzimporte verzeichnen wird. Dieser Trend zeigte sich auch schon im Juli, als die chinesischen Eisenerzimporte erstmals seit mehreren Monaten wieder ansteigen konnten.


Das Zitat der Woche:

"Für den Lohn eines deutschen Ingenieurs bekomme ich sechs chinesische Ingenieure. Aber während der deutsche 1600 Stunden im Jahr arbeitet, arbeiten die Chinesen jeweils 2000 Stunden." - Heinrich von Pierer (* 26. Januar 1941 in Erlangen; eigentlich Heinrich Karl Friedrich Eduard Pierer von Esch) ist ein deutscher Manager. Er war von 1992 bis 2005 Vorstandsvorsitzender und von 2005 bis zum 25. April 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens AG.

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